Seit Beginn der Filmgeschichte gewinnt eine Filmfigur längst nicht allein durch Mimik, Gestik – später auch Sprache – oder etwa ihr Aussehen an Leben. Auch, welche (Fußbe-)Kleidung Held oder Heldin im Film tragen, ist für den Plot entscheidend, setzt das Kostüm doch dramaturgische Akzente.
Es gibt heute kaum ein Schuhmodell, das nicht schon vor der Kamera stand: Kuhmaulschuhe, Schnabelschuhe, Tanzschuhe, Stiefel, Mokassins, Slipper oder Pumps. Der Film zeigt die Vielfalt des männlichen und weiblichen Schuhwerks in allen Lebens- und Witterungslagen – im Regen tanzend oder gehetzt zwischen Häuserschluchten.
Schuhe im Film – Mehr als Requisit und Mode-Accessoire
Wir kommunizieren nicht nur mittels Sprache und Gestik, sondern ebenso mit unserer Kleidung – auch Film-Charaktere leben durch ihre Kleidung, wenn in Nahaufnahmen einzelne Accessoires gezeigt werden wie Schmuck, Knöpfe oder Schuhe. Die Kleidung erfüllt im Film eine narrative Funktion, ist ein essentieller Teil des Storytelling, doch nehmen wir sie im Idealfall nur unbewusst wahr. Das Kostüm unterstreicht Gegensätze und Gemeinsamkeiten der Handelnden und macht die individuelle Entwicklung einer Figur auch visuell für den Zuschauer sichtbar.
Vor allem das Spiel von Schuh und Fuß, beziehungsweise Schuh und Bein, wird vor der Kamera zu einem entscheidenden Momentum und strahlt einen starken Symbolwert aus. Das An- und Ausziehen von Schuhen avanciert im Film zu einem Ausdruck von Macht und Unterwerfung, Liebe und Erotik, Verweigerung und Zugehörigkeit. Allerdings spielt der Film nicht nur mit der Bedeutung von Schuhen, sondern weiß sie auch effektvoll in Szene zu setzen. Denke man bloß an Marilyn Monroes Stöckelschuhe in „Gentlemen Prefer Blondes“ (1953), Olivia Newton Johns rote Plateau-Schuhe in „Grease“ (1978) oder die zuckerbunten Stilettos von Kirsten Dunst in „Marie Antoinette“ (2006). Schuhe und Kleidung im Allgemeinen verschaffen ihren Trägern einen sozialen Hintergrund, spiegeln die Identität der Figur wider und verorten sie historisch wie die futuristischen Basketballschuhe von Michael J. Fox in „Back to the Future“ (1985).
Während die eben erwähnten Schuhe bei den Film-Heldinnen in der Regel Weiblichkeit, Erotik und Sexualität betonen, unterstreichen sie bei dem Protagonisten vor allem Stärke und Männlichkeit. So wie die Stiefel von Peter Fonda und Dennis Hopper in „Easy Rider“ (1969) oder Gérard Depardieus Kolumbus-Stiefel in „1492: Conquest of Paradise“ (1992). Doch keine Regel, ohne Ausnahme.
Männer in Frauenschuhen und umgekehrt
Selbstverständlich weiß auch der Film mit tradierten Rollenklischees zu brechen. In dem britischen Film „Billy Elliot – I will dance“ (2000) begeistert Jamie Bell sowohl in seinen Turn- als auch in den weißen Ballettschuhen, und schon in den 70ern löste Diane Keaton eine wahre Modewelle aus, als sie für ihre Rolle in Woody Allans „Annie Hall“ (1977) in Brogues mit Lochmusterung schlüpfte.
In der Top-Ten unserer Story-Schuhe finden sich Filme, in denen Schuhe zwar nicht immer eine zentrale Rolle spielen, aber definitiv als nonverbales Kommunikationsmittel dienen.
Die Top-Ten der Story-Schuhe
1. „The Gold Rush“ (1925)
In dem Stummfilm „The Gold Rush“ (1925) stürzt sich Charlie Chaplin in das abenteuerliche Leben der Goldschürfer in Alaska. Von einem Schneesturm überrascht, sucht der kleine Tramp Zuflucht in einer Hütte und verspeist in seiner Not sogar einen seiner Schuhe. Die Szene, in der Chaplin seinen Schuh kocht und die Schnürsenkel wie Spaghetti um seine Gabel wickelt, ging in die Filmgeschichte ein.
Eine unterhaltsame Anekdote am Rande: So wie bei vielen Chaplin Filmen ging auch „The Gold Rush“ nicht problemlos über die Bühne. Nach einem erfolgreichen Beginn kamen die Dreharbeiten rasch zum Erliegen – Charlie Chaplin hatte die 15-jährige Erstbesetzung, Lita Grey, geschwängert. Chaplin besetzte die Rolle neu und heiratete die junge Lita, um den rechtlichen Konsequenzen zu entgehen. Doch zurück zu unseren Story-Schuhen.
2. „The Wizard of Oz“ (1939)
In dem Märchen-Musical führen die legendären Pailletten besetzten roten Zauberschuhe die kleine Dorothy samt ihrem treuen Gefährten Toto ins Reich von Oz. Judy Garland rennt und singt sich in den glitzernden Pumps durch das magische Wunderland – heute zählen sie zu den bedeutendsten Requisiten der Filmgeschichte.
3. “Tri orísky pro Popelku” (1973 „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel”)
Das Hauptmotiv der Story-Schuhe schlechthin – die Cinderella-Story: Die verkleidete Magd Aschenbrödel tanzt über den königlichen Ball, verliert auf ihrer Flucht einen silbernen Schuh und wird mithilfe dessen vom Prinzen als die Richtige identifiziert.
4. „Annie Hall“ (1977)
In der charmanten Komödie verliebt sich der Komiker Alvy Singer in die nicht weniger chaotische Sängerin Annie Hall. Diane Keatons Darstellung der neurotischen Annie fand nicht nur im Hinblick auf ihre schauspielerische Leistung große Anerkennung. Die weiten Männerhemden und -hosen und nicht zuletzt auch die Brogues, die Keaton im Film trägt, führten im Hollywood der 70er Jahre sogar für kurze Zeit zum Sturz der Stilettos.
5. „Wag the Dog” (1997)
In der Polit-Satire sind Schuhe zwar nur für wenige Sekunden die Leinwandhelden, doch ist ihr Auftritt dafür umso eindrucksvoller. In „Wag the Dog“ werfen Dustin Hoffman und Robert De Niro Schuhe über die Bäume, um die Bevölkerung von der Affäre des US-amerikanischen Präsidenten abzulenken.
6. „The Social Network“ (2010)
7. „The Red Shoes“ (1948)
Der melodramatische Ballettfilm erzählt die Geschichte der jungen Ballerina Victoria Page, kurz Vicki, die in dem Stück „Die roten Schuhe“ tanzen soll. Zerrissen zwischen der Liebe zu ihrem Mann und der Liebe zum Ballett begeht sie jedoch Selbstmord, und zwar in ihren roten Schuhen.
8. „In Her Shoes“(2005)
Die Schwestern Maggie (Cameron Diaz) und Rose (Tony Colette) könnten unterschiedlicher nicht sind, doch hat sie der frühe Tod der Mutter eng zusammen geschweißt. Als jedoch die lebensfrohe Maggie ausgerechnet dem Chef von Rose den Kopf verdreht, wird ihre Beziehung auf eine Probe gestellt. Die beiden Schwestern verbindet allerdings mehr als nur die Liebe zu Schuhen.
9. „Le grand Blond avec une Chaussure noire“ (1972 „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“)
In der Agentenparodie kehrt der zerstreute Geiger, François Perrin, von einer Tournee zurück und gerät am Flughafen zwischen die Fronten des französischen Geheimdienstes. Ausgerechnet sein Paar unterschiedliche Schuhe stürzt den ahnungslosen François ins Chaos.
10. „Grease“ (1978)
Nach den Ferien trifft die junge Sandy auf ihre Sommerliebe Danny, der sich vor seinen Freunden als Frauenheld gibt. Trost findet die enttäuschte Sandy bei der Mädchengruppe „Pink-Ladies“, die nicht nur ihr Äußeres von Grund auf erneuern. Die roten Pumps, die Olivia Newton John in der Schlusssequenz des Films trägt, unterstützt ihre Wandlung auch visuell.
Credits: Alle Bilder sind jeweils Promo-Material